Zwischen Apps und dem Leben.

21:08 chaos-kind 1 Comments



Ich hab da diesen Freund. Er ist Anfang dreißig, sportlich, gutaussehend, studiert, verdient gutes Geld. Er trinkt am liebsten Bier, kocht nicht selbst und hat selten was im Kühlschrank außer Butter und Senf (gut, was er damit macht weiß ich auch nicht). Er ist der Pizza-Döner-Fastfood-Mensch, der selbst nie kocht aber gern gut essen geht. Er ist in allen sonstigen Dingen so typisch Mann das man gar nicht glauben kann das es solche Kilschees tatsächlich noch gibt. Er schreibt kaum bis gar keine SMS und wenn, dann so kurz angebunden das man schon wieder schmunzeln muss - im Idealfall auch erst ein, zwei oder drei Tage später. Er ist durch und durch Mann. Bis auf eins. Sein Telefon.
Denn während alle anderen Männer in meinem Umfeld sich mit Smartphones artikulieren und "hier schau mal, dieses Video" irgendwann immer in den Unterhaltungen den essenziellen Teil bildet, zückt er nie sein Telefon.

Er hat keins dieser neumodischen Dinger, kein Smartphone, sondern ein altes, kleines Nokia mit einer Akkuleistung die selbst Blackberry-Nutzer erblassen lässt.
Er hat kein Smartphone. Genauso wenig hat er keinen Flachbildfernseher. Er überlegt sogar die alte Röhrenkiste ganz wegzugeben. Er hat keine Playstation mehr, keine fette Soundanlage (wobei er sich die wünscht, der alte audiophile Mensch) und auch keinen großen Computer. Alles was Technik betrifft kann man in seinem Haushalt mit Handy, Laptop und Radio zusammenfassen.
– Und es ist so wahnsinnig angenehm.

Jedesmal wieder, wenn ich mit ihm unterwegs bin und irgendwann mein Smartphone zücke – und sei es nur um zu sehen wie spät es ist – ertappe ich mich dabei, wie ich fast schon neidisch auf sein kleines Nokia in seiner Hosentasche schiele.

Ich hatte mein erstes Mobiltelefon mit 12, als ich auf eine Schule kam die nicht so den ultimativen Ruf hatte, ansonsten hätte ich es später bekommen. Das war ein kleines Siemens, mit klitzekleinem Display, schrecklichen Tastentönen und Antenne.
Es folgten ein Klapphandy, ein Drehhandy, eins mit Schnörkel, eins ohne, das Erste mit dem du Musik hören konntest und du nicht deinen Walk-/oder Diskman mitschleppen musstest.
Und mit jedem neuem Telefon kam neues Klimbim dazu. Hier ne tollere Kamera, oh hier konnte man sogar plötzlich ins Internet. Und dann kam das erste Smartphone. Blackberry. Samsung. Jetzt ein iPhone.

Und umso mehr Kinkerlitzchen hier, umso mehr Add-ons, umso mehr Apps – umso mehr drängt sich mir immer wieder die Frage auf: warum?

Ich liebe mein iPhone und ich würde es auch nicht mehr hergeben wollen – aber eigentlich, mal im Ernst, eigentlich brauchen wir diesen ganzen Scheiß gar nicht. Die guten alten SMS, die guten alten Handys bei denen du nicht für dies und jenes die drölfzigste App benötigst.

Nachdem auch Apple auf den Uhren-Zug aufgesprungen ist frag ich mich wirklich ob wir so Konsum-geil sind, so up-to-date sein müssen, so beschäftigt, so unsrer Zeit-beraubt, so unterhalten, so 48-Stunden-pro-Tag erreichbar sein müssen, dass man sich jetzt auch noch eine Uhr ums Handgelenk schnallen muss, die einem zeigt wann der Klogang notwendig ist und welche Nachricht gerade von einem Typen angekommen ist, mit dem wir eigentlich gar nichts mehr zu tun haben.
Braucht man ein Telefon, dass fast so groß wie ein kleines Tablet ist nur weil man neben dem telefonieren noch unbedingt lauter Videos und Filme schauen muss?
Braucht man die tausend Gadgets, die einem das Leben erleichtern sollen aber einen so gefangen nehmen, dass wir uns auch einfach ins Bett legen könnten?

Ich steh auf Technik, ich beschäftige mich gern damit, bin interessiert und finde es super wie viel wir Menschlein schon entwickelt haben – aber ganz ehrlich – braucht man den ganzen Scheiß?

Wir haben das früher so gut ausgehalten ohne den ganzen technischen Schnick-Schnack. Waren draußen und es war ganz egal wenn man sein Handy mal vergessen hat. Genießen wir mal einen Moment ganz ohne den Kram.

Ich hab da diesen Freund. Und ich liebe es mit ihm unterwegs zu sein, weil man dann nicht die ganze Zeit sein Handy zückt, mit irgendwelchen Apps rumhantiert – und weil es irgendwie befreiend ist. Ich hab da diesen Freund – und mit ihm braucht man den ganzen Kram nicht.

1 Kommentar:

  1. Ich kenne dieses Gefühl der "Unabhängigkeit vom Smartphone" nur zu gut. Wie du, liebe ich mein Smartphone auch, finde einige Apps auch echt hilfreich (beispielsweise Google Maps, ÖVM Haltestellen-Apps, die mir anzeigen, wann der nächste Bus kommt usw.) und bin manchmal wirklich froh sie zu haben.

    Aber wenn ich beispielsweise wirklich viel mit Freunden unterwegs bin oder verreise, dann bemerke ich, dass ich mein Smartphone so gut wie gar nicht benutze und denke mir dann beim zu Bett gehen immer, dass es doch auch mal ohne Smartphone ganz schön war. Früher ging es doch... und wenn ich mich dann mal ertappe, wie ich eine ganze halbe Stunde damit zubringen konnte NUR vor dem Smartphone zu hängen, bekomme ich teilweise sogar ein schlechtes Gewissen. Wie viel man in der Zeit alles hätte erreichen/sehen/erleben können?? Aber dasselbe könnte man ebenso gut über den Fernseher oder den Computer sagen...

    Im Endeffekt sollte wahrscheinlich einfach jeder für sich entscheiden, was für einen richtig ist und was nicht. Auf was man verzichten kann und was unverzichtbar bleibt.

    Ich wünsche dir einen schönen Abend! (:

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